Zu 100% ungenau
Vor einiger Zeit wunderte sich eine Kommentatorin auf Facebook über die Bezeichnung ‘vegan’ bei einigen unserer Produkte. Wenn sie als 100% Baumwolle ausgewiesen seien, wäre es ja ziemlich klar, dass sie vegan sind. Schön wärs! Ohne es zu wissen war dieser Mensch in ein textiles Wespennest getreten.
Auch ich finde es albern, auf Chipspackungen den Hinweis ‘vegan’ zu lesen und denke häufig, dass hier nur ein sowieso schon offensichtlicher Hinweis marketingmäßig ausgeschlachtet wird. Ungefähr so wie „das elegante Weiß“ einer Waschmaschine in einem bekannten Onlineshop für Elektroartikel angepriesen wurde.Doch leider ist das zumindest im textilen Bereich nicht so einfach zu ignorieren. Schlimmer noch, eigentlich ist es sogar ein dickes Problem. Das nicht nur, weil vegan lebende Menschen eventuell ein Produkt mit tierischen Bestandteilen kaufen könnten, sondern weil es einfach nicht stimmt, wenn im Pflegeetikett 100% Baumwolle steht.
Die EU-Textilkennzeichnungsverordnung gibt vor wie Artikel aus oder mit einem Anteil an textilen Fasern gekennzeichnet werden müssen. Darin steht auch, dass höchstens 2% des Gesamtgewichts der Fasern eines Produktes nicht der eigentlichen Angabe entsprechen müssen. D.h. also ein Artikel darf 100% Baumwolle heißen, aber nur zu 98% des Gesamtgewichts tatsächlich aus Baumwolle bestehen. Wenig überraschend stellt sich also die Frage, warum diese Regelung überhaupt nötig ist und so kommen wir wieder zurück zu unserem Facebook-Kommentar: Kaum ein Kleidungsstück entspricht in Wirklichkeit der Angabe auf dem Etikett. Das kann viele Gründe haben: Zum einen werden Textilien in Fabriken hergestellt, die meistens alle möglichen Materialien verwenden. So wird bereits durch den Faserflug innerhalb der Gebäude ein Kleidungsstück ‘verunreinigt’. Außerdem gibt es viele Komponenten, an die man nicht sofort denkt: Näh- und Stickgarne sind häufig aus Polyester, Drucke und Applikationen aus verschiedensten Materialien, Labels und Etiketten werden erst gar nicht mitgezählt. Bei einem T-Shirt noch halbwegs überschaubar, bei einer technischen Jacke sind diese Zutaten kaum erfassbar und schwer zu kennzeichnen.
GOTS hat diese Problematik in seinem Standard implementiert: Betriebe dürfen zwar sowohl GOTS-zertifizierte als auch nicht-GOTS-zertifizierte Materialien verarbeiten, müssen aber Produktionsstraßen, also die kombinierten Arbeitsabläufe aus allen Näharbeiten, strikt trennen. Seit diesem Jahr gilt übrigens auch eine etwas genauere Kennzeichnungsauflage. Normalerweise würden wir unsere Wollwalkjacken so kennzeichnen:
Oberstoff: 100% Wolle
Futter: 100% Baumwolle
Mittlerweile muss diese Prozentangabe aber aufs Gesamtgewicht bezogen sein. So steht dort dann z.B.:
83% Wolle, 17% Baumwolle – je nachdem wieviel Futter in der Jacke verarbeitet ist.
Da es relativ selten ist, dass Kleidungsstücke, obwohl anders angegeben, trotzdem Fasern tierischen Ursprungs enthalten fragt man sich zu recht, wo jetzt eigentlich das Problem liegt. Dass ein Label aus Leder oder Seide ist, ist relativ unwahrscheinlich, warum sollte es also irgendjemanden jucken?
Die Antwort liegt mal wieder weiter hinten in der Wertschöpfungskette: Mischung von Materialien heißt immer noch: Sie können schwerer oder gar nicht recycelt werden. Unser Baumwoll T-Shirt würde zerhäckselt und dann in einen Bottich geworfen werden, um die darin enthaltene Cellulose aufzulösen und wieder zu gewinnen. Dabei würden die anderen Faserarten natürlich nicht aufgelöst, im besten Fall noch oben schwimmen und nur abgeschöpft werden. Trotzdem wären diese Reste Abfall, der wahrscheinlich nicht unproblematisch entsorgt werden muss. Unser Credo lautet deshalb: Produkte so ‘sortenrein’ wie möglich zu entwerfen, um die aufgewendeten Ressourcen bestmöglich zu nutzen und wiederzugewinnen.
Selbstverständlich respektieren wir jede Lebensweise, die Produkte tierischen Ursprungs ablehnt und wollen daher unseren Kund*innen versichern, dass auch bei unseren 100% Baumwoll-Artikeln keine derartigen Materialien verwendet werden. Safety First!
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Liebe Grüße